Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 17. August 1924

Sonntag,17.8.1924.Celerina. Cr.P.

(nach Se[e]lisberg)

Liebste, auch heute sind die angekündigten Briefe nicht da. Hast Du
in dem gestrigen Gespräch vielleicht doch die gemeint, die ich schon
habe? Der letzte kam am Donnerstag Nachmittag an? Hier wie immer -
so lieb mir Deine Briefe sind, Deine Stimme, Dein lebendiges Wort hab
ich doch noch lieber, auch wenn es durch Fernen zu mir dringt -und so¬
gar wenn es ein wenig unfreundlich klingt wie gestern. Mein
liebes, liebes Kind – wenn Du es doch endlich sein liessest mir Dinge
zu verübeln, die wahrscheinlich nicht zu vermeiden sind und
du – vor allem – innerliche Schwierigkeit und Schwere meiner Existenz
so völlig zu verstehen wüsstest, wie Du es mit Deiner Klugheit bei
andern Menschen ohneweiters thätest! – Und mich auch mit meinen Fehlern
und Unzulänglichkeiten nähmest wie ich bin.–Ich kann über diese Dinge
mich schriftlich nicht aussprechen. Aber Du solltest, Du müsstest doch
endlich spüren, was Du mir bedeutest, Liebste! -

L.'s sind Freitag von Locarno gekommen und schwärmen unentwegt davon
vor. Es scheint landschaftlich ungleich schöner als Lugano (wo sie auch
waren), Von hier fahren sie ans Meer (und wollen mich mitnehmen. Ich
verlange keine Anerkennung, dass ich abgelehnt habe). -Morgen oder
Dienstag kommt Fischer mit Gattin und Tochter.–(Nur zu Besuch);
Schwester und Schwager nach Pontresina auch zu Begin der Woche. Lili
und O. werden voraus sichtlich in Zuoz bleiben. Ich war zuletzt am
Freitag dort; am letzten Tag von Heinis Anwesenheit. Leicht war mir
nicht ums Herz, aber auch das sind Dinge, über die ich zu schreiben nicht
fähig bin.-

Beschäftigt bin ich ausschliesslich mit dem Versstück. Es stellt sich
heraus, dass ernstlich nur am 2.Akt zu arbeiten ist. Der 1.und 3. sind
viel weiter, als ich gedacht; der 2. viel unfertiger (besonders in der
ersten Hälfte) als ich gewusst.–Ich muss einige aus den (schlechten)
Versen in Prosa Übertragen, um es aufs neue in (bessere) Verse aufzu-
bauen.