Baden-Baden,Dienstag,1.7.1924.
(nach Wien)
Liebste, als ich gestern Mittag nachhause kam lag Dein Expressbrief
da - der erste Gruss aus Wien, Dein erstes Lebenszeichen - es hätte
Nachricht nicht früher da sein können, und doch scheint mir eine unver¬
hältnismässig lange Zeit verstrichen, seit ich das letzte Mal Deine Stim¬
me gehört (denn ich höre sie auch aus Deinen geschriebenen Zeilen). Ich
lächle (geschmeichelt), dass Du meine Ratschläge brauchst. Das Wich¬
tigste zuerst - die Honorarfrage. 400 für die Novelle scheint mir etwas
wenig. Sagen wir 500. Bist Du ungeduldig, so ist gegen das Abendblatt
natürlich nichts einzuwenden; aber mir scheint das Morgenblatt mehr en
vue. An Reklam gleich zu achreiben wäre ganz gut: - Du avisierst ihn
denk ich, dass Du ihm gleich nach Erscheinen die gedruckten Fortsetzun¬
gen schicken wirst.- Wenn Frau Rundt Dir abrät zu Frau H. zu gehen, so
tu es auch natürlich nicht; in solchen Dingen sind die Leute kindisch
und empfindlich und es wäre nicht politisch, das freundliche Interesse
der Frau R. der ganzen Angelegenheit gegenüber, aus Uebereilung in Frage
zu stellen.- Zsolnay halte ich im gegenwärtigen Moment für aussichtslos.-
Ich nehme übrigens an, dass bei Eintreffen dieser Zeilen auch das letzte
Gedicht fertig übersetzt ist, und ich freue mich darüber. -
Ich befinde mich hier ziemlich mässig; - die Unterhaltungen über die
beiden wesentlichen Probleme: das Kind; - und die Finanzen sind
ebenso misslich wie erregend. Im übrigen ist es hier teurer als ich
schon gefürchtet; und auch aus Deutschland fährt alles in die Schweiz,-
um billiger zu leben. Mein Hotel ist sehr nett; das Essen unmöglich.
Das Wetter scheint prächtig: - heute eher kühler und ich freue mich auf
einen Spaziergang in »unsre« Gegend vom vorigen Jahr die übrigens lan-
ge nicht so reizvoll wirkt, seit sie nur »meine« ist.-
Die Doppelnovelle hab ich durchgesehen; am letzten Drittel wird noch
mancherlei zu machen sein.- Lektüre: Proust-Werke.- Den Roman von
Axel-Lübbe.-