Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 22. Juli 1923

Wien, 22.7.1923. (nach Weimar)

Liebe, Schöne. Das Benehmen von Harry finde ich zwar wirklich unglaub¬
lich – aber im Ganzen glaube ich ist es doch besser so und das Allein¬
sein wird für Deine Nerven besser sein als seine Gesellchaft, die sich
Dir so wenig anzupassen weiss. Und dass Du von Heringsdorf fort bist,
ist auch gut und dass Du nach Weimar gefahren bist, das Beste (wie ich
aus Deinem nächsten Brief mit Gewissheit zu entnehmen hoffe).

Also sofort nach Empfang Deines Briefes vom 20. mit der Ohn¬
macht bei F. habe ich an die Kobenzldirektion telefoniert, – und die
Auskunft erhalten, dass, wenn zwei Tage vorher telegraphisch bestellt
wird, jedenfalls ein gutes Zimmer zu haben wäre. Aber – so froh ich wäre,
Dich so bald wiederzusehen (und nicht nur zu sehen) und so bequem
mir dieses Arrangement wäre, ich finde wegen 8 Tagen Wiener Aufenthalt
sind es der Reiseetappen zu viel. Nur wenn Du die Absicht hättest länger
hier zu bleiben, wäre es für Dich, die Hieherreise wert. Und so schiene
mir in Deinem Interesse Bodensee oder Schwarzwald vorzuziehen. Die Be¬
denken speziell wegen Baden-Baden hast Du neulich geäussert – aber sie
fallen gegenüber den Vorteilen nicht erheblich ins Gewicht. Ich bleibe
jedesfalls noch circa 14 Tage hier, hauptsächlich wegen der Filmsache; –
überdies tut die Ruhe in meinem Hause und das Alleinsein (das ich al¬
lerdings nur durch Dich gestört wünschte) meiner Arbeit entschieden
gut. Ich kann nicht leugnen, dass ich diese bisher zehntägige Trennung
noch lebhafter empfinde, als ich gedacht und gefürchtet.– Am 5. (unge¬
fähr) fahr ich nach Bade-Baden, resp. nach Hundseck oder Bühlerhöhe
und was vom 15. an geschieht hängt nun auch ein wenig von Deinen
Plänen ab. Friedrichshafen bleibt nach wie vor das Wahrscheinlichste; -
von dort aus ist auch der Einbruch in die Schweiz am einfachsten und
raschesten.

Bitte, Liebste lies den Brief genau wie er geschrieben ist und richte
Dich in allen Deinen Entscheidungen völlig nach Deiner Bequemlichkeit.

– Heut an einem schönen ruhigen Sonntag hab ich den ganzen Tag