Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 28. Juni 1923

Donnerstag 28.6.1923. Wien.

nach Baden-Baden

Mein Freund.

Es ist sechs Uhr Früh, ich kann nicht mehr schlafen, und da
ich gerade sehr herzlich an Dich denke will ich Dir dies auch sagen.–
Zu erzählen, zu berichten gibt es noch wenig.

Gestern Vormittag der gewöhnliche Weg in die Stadt, in die Bank, zu
Tisch Exzellenz Leonhardy als Gast. Nachmittag mein Bild fertig ge¬
malt (als ob man je »fertig« sagen könnte). Dann mit den Buben genacht¬
mahlt, geplauscht und um halb elf zu Bett.

Heute Vormittag wieder Stadt, Drecoll u. s. w. Nachmittag Thee bei Magda K.
Morgen Freitag Vormittag Fahrt auf den Friedhof. Zu Tisch meine Ge¬
schwister. Nachmittag Frau von Schaible, Emmy Erlanger bei mir, Samstag
Abend möchte ich mit Carly zum Wintermärchen. Sonst weiss ich noch
nichts von den nächsten Tagen.

Ich hoffe ich höre bald von Dir. Ich möchte so gerne wissen, was Du heute
in der ersten Nacht dort geträumt hast. Merke es dir doch bitte! Ver¬
giss auch nicht beim Waldparksanatorium des Dr. Heinzheimer vorüberzu¬
gehen, ich möchte gerne hören, wie es Dir gefällt.
Nächstens mehr. Fühlst Du, dass ich Dir noch mit viel Befangenheit
schreibe? Vielleicht wird das besser mit der Zeit, denn das ist sonst
gar nicht meine Art.–

Ich glaube, es wird heute sehr schön. Ich sehe von meinem Bett aus nur
blauen Himmel und Sonne und würde sehr gern mit Dir spazieren gehen.-

Einen sehr innigen Gruss von Deiner

Clara Katharina.

Entschuldige die Schrift, aber in dieser halbliegenden Stellung geht
es nicht besser.