Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 30. Juli 1897

30. VII. 1897

12 Uhr Nachts

Markt-Aussee

Lieber Arthur!

Ich schreib Dir obwohl ich gar nicht weiss,
wann diese Zeilen in Deine Hände gelangen werden denn
jetzt sind wir ja von der ganzen Welt abgeschnitten,
aller Bahnverkehr unterbrochen. Das war heut ein schau¬
erlicher Tag. Aber so wie seit drei Tagen hab ich es
nie für möglich gehalten, ganz atemlos regnet's, ohne
auch nur für Augenblicke schwächer zu werden, und der
Himmel ist bleigrau und trostlos.

Heute morgens ertönten die ersten Alarmsignale
und seither ist Alles in Angst und Aufregung. Leider
nur zu begründet. Alle Brücken zwischen Alt und Markt
Aussee sind eingerissen und jetzt auch die grosse Brücke
die über die Traun führt in grosser Gefahr. Wenn sie
fällt dann stürtzt das Wasser in die Ischler Strasse
und dann in alle andern hinein. Ich höre das drohende
Brausen bis herauf in mein Zimmer. Es ist mir eigentlich
ganz unheimlich zumut, denn Alles im Haus ist schon
schlafen gegangen und ich allein bin wach. Ja, so etwas