Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 19. September 1929

Marienbad,19.9.1929.

Mein Liebes, hoffentlich sind meine beiden Briefe – auch der Ex¬
press vom Samstag in deine Hände gelangt; eine Bestätigung fehlt
noch, – nur Deine ungnädige Karte ist da, – zu der meines Erachtens
keineswegs ein Anlass vorlag. Also am Dienstag war ich in Franzens¬
bad; es präsentierte sich diesmal gefälliger; der Park lag in wunder¬
baren blassen Herbstglanz da und die Gepflegtheit der Anlagen, so¬
wie auch ihre Bequemlichkeit gibt dem ganzen Ort eine gewisse eigen¬
tümliche, etwas melancholische Anmut; aber jenseits der
Grenzen wird aus der Melancholie eine auch im landschaftlichen Sinne
provinzielle Traurigkeit. Ich fuhr mit der Bahn hin und um 5 Uhr
ebenso wieder zurück. Das Befinden O.'s bessert sich zusehends. Ich
will nicht noch einmal die Eisenbahnfahrt hin und
her machen, sondern fahre Sonntag Früh hinüber, bleib bis Montag
Früh und Montag direct mit dem Bäderzug nach Wien. Entwe¬
der Sonntag hier in Marienbad oder Sonntag in Franzensbad kommt Feher,
er mich heut Früh aus Berlin antelefoniert hat – mit dem ich schon
heuer im Sommer wegen Spiel im Morgengrauen verhandelt habe.–es sei
nun sehr ernst – Emelka – er bringe den Vertrag – und gleich eine
Anzahlung mit. Ich lehnte vorläufig jede Verbindlichkeit und Ver¬
pflichtung ab; – aber da doch wohl endlich irgend etwas kommen muss,-
warum sollte es nicht das sein?

- Hier benehm ich mich indes curgastlich – trinke nicht nur Kreuz¬
brunnen und nehme kohlensaure Bäder, sondern habe sogar (wegen »Anwei¬
sungen) den Dr. Kirch (Richard und Paulan Arzt) braucht. Sympathisch,
klug – bei dieser Gelegenheit wurde auch zum ersten Mal mein Blut¬
druck gemessen und, mein Herz und Gefässe überhaupt normal befun¬
den.

Gestern Abend war ich wieder mit Richard und Paula im Kino, einem
offenbar alten, besonders idiotischen Film "Jahrmarkt des Lebens"; -