An A.S., Berlin.
Wien, 23.3.1929.
Liebster,
eben kam Dein Expressbrief oder richtiger vor einer
halben Stunde und seither habe ich mich bemüht ihn zu entziffern,
was schliesslich auch ziemlich gelungen ist. Jedesfalls scheint noch
immer alles unentschieden, was ich um Deiner Nerven willen sehr bedau¬
ere. Ich kann das alles natürlich schwerlich verstehen, da ich mit
dieser Welt von Lug und Trug gottlob nie zu tun hatte.
Ich bin nur froh, dass Elisabeth Bergner trotz des In¬
ventarisierens Zeit fand eines der Feste der O. zu besuchen und dass
sich dort unter Deiner Flagge all die Menschen einfinden, die immer
behaupten sie nicht ausstehen zu können.
Du begreifst nicht, mein Kind, wieso meine materielle
Lage mich eben jetzt besonders bedrückt, wie Du mir schreibst? Nun
denke mal: ich könnte auch einmal etwas wollen, was über die Bedürf¬
nisse des Alltags hinausginge – ich verfüge nicht über eigene Mittel,
die es mir ermöglichen und nur solche kämen in Betracht. Ich spreche
nicht von Festen, nicht einmal von Gästen, Zerstreuungen irgend einer
Art – (für die es nicht langte) weil ich mir dergleichen kaum wünsch¬
te, aber ich könnte den heftigen Wunsch haben auf und davon zu gehen-
ich kann nicht. Ich sage noch nicht, dass ich will, aber ich sage nur,
wenn ich wollte – ich kann nicht, kann nicht. Und dieses nicht selbst¬
ständig Können macht mich krank.
P. hat schon vor einigen Tagen eine höfliche Absage
vom Verlag Zsolnay für mich bekommen: »Passt nicht in den Rahmen ihres
Programms«. Und von U. wird die Antwort wohl ähnlich lauten. Ich
bin in einer Stimmung, in der ich besser nicht schriebe. Auf diese
Entfernung kann jedes Wort zu einem Missverständnis werden und man
sagt leicht zu viel oder zu wenig. – Jedenfalls wünsche ich Dir von Her¬
zen einen guten Ausgang Deiner Verhandlungen und ein erfreuliches Re¬
sultat. Nochmals alles Gute und bleib gesund. Du ahnst nicht, wie mir
ums Herz ist. Deine C.K.