Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 15. März 1929

An A.S., Berlin.

Wien, 15.3.1929.

Mein Liebes,

heute ist noch kein Brief von Dir da, aber ich hoffe
es kommt einer im Laufe des Tages. Gestern gegen Abend habe ich
auch noch einen kleinen Spaziergang gemacht, nachdem ich den Brief an
Dich in den Kasten geworfen. Es war sehr angenehm frisch und windstill
und der Mond und zwei Sterne sassen ganz hart und scharf am Himmel,
wie ich das noch nie gesehen habe. (Ganz genau so,
wie ich es hier aufgezeichnet habe.[)] Es sah geradezu unnatürlich aus
und weit und breit kein anderer Stern.

Zum Nachtmahl waren dann Otto und Emmy da und es war
sehr gemütlich und wir haben sehr viel gelacht. Emmy kam über die
zahmen Tauben, die der Wolfi hat, auf die Fortpflanzung der Vögel zu
sprechen und erklärte, sie geschähe dadurch, dass das Männchen dem
Weibchen auf den Rücken springe und ihr einen Tritt versetze, wodurch
sich die Eier befruchten, man nenne das den Hahnentritt. Otto und ich
fielen vor Lachen fast von den Sesseln.

Ich las ihnen auch den neuen Schluss meiner Novelle
vor, den sie ausgezeichnet fanden. Nun bin ich begierig, was Du von
Wiegler hören wirst. Frieda telefonierte mir heute, dass von Ullstein
nichts gekommen ist, was mir eher ein gutes Zeichen scheint.

Wann kommt Strnad nach Berlin? Wenn er Schwierigkeiten
macht, klammere Dich nicht an ihn. Mich entzückt die Idee mit dem Saal
nicht sehr und erscheint mir mehr als eine fixe Idee als seine Not¬
wendigkeit. Aber vielleicht ist das eine Anmassung von mir das zu be-
haupten, oder richtiger: ich urteile zu sehr nach dem Gefühl.

Jedesfalls erwarte ich weitere Nachrichten schon mit
Ungeduld. Ich gehe jetzt ein Telegramm an Königswarter aufgeben, da