Semmering, 25.8.1928.
Mein sehr Liebes, heute mit der Morgenpost bekam ich einen sehr lieben
Brief von Bertha Z. aus Wien mit dem beifolgendem Zeitungsausschnitt,
den ich gleich an Dich weitersende, da ich mir denke, dass er Dir viel¬
leicht eine kleine Freude bereiten wird. Sie schreibt diesbezüglich:
»Da werden die guten Wiener sehen, wie man im Ausland Schnitzler wertet.«
Sie ist in Wien und ich soll sie anrufen, sobald ich zurück bin. Das werde
ich auch, denn abgesehen davon, dass sie wirklich eine warme und echte
Freundschaft für Dich hat, hat sie sich in diesen Wochen auch mensch¬
lich und taktvoll gegen mich benommen. Wenn ich mir auch nicht einbilde,
dass ihre Zuneigung allen Stürmen gewachsen ist, so hatte sie hier
doch impulsive Regungen des Herzens, die ich ihr nicht vergessen werde.
Entschuldige die Ungleichheit der Schrift, aber ich komme eben vom
Sonnwendstein herunter, habe mich ein wenig hingestreckt und schreibe
liegend. Bin heute Früh mit Emmy R. vom Panhans aus zwei Stunden hi¬
naufgestiegen. Unterwegs ausgesprochene Schmerzen im Herzen, aber ich
habe doch durchgehalten. Emmy ist wirklich eine merkwürdige Person
und einer der besten Menschen. Aber manchesmal habe ich das Gefühl
eine Wahnsinnige geht neben mir. Erheiternd ist es nicht. Oben haben
wir sehr gut gegessen und den schönen Blick in uns aufgenommen. Aber
ich musste immer an andere Spaziergänge und Ausflüge denken.-
Gleich nach dem Essen sind wir wieder heruntergelaufen, denn ein paar
drohende Wolken standen am Himmel, die sich indessen verflüchtigt haben.
Zuhause fand ich Deinen lieben Brief vor, der leider noch nicht sagt,
dass Du Dich wohler fühlst. Wenn es auch für eine seelische Besserung
noch zu früh ist, so hatte ich doch gehofft, dass Du Dich physisch er¬
holen wirst.
Nun bin ich schon eine Woche hier. Sie war schrecklich lang und mühsam
und Mittwoch oder Donnerstag fahre ich unbedingt nach Wien.
Ich hätte unter den gegebene Umständen keinen besseren Platz wählen