Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 30. November 1927

Berlin, 30.11.1927. Hotel Bristol.

Liebste, sehr gut bis gegen 8 geschlafen – und eigentlich nur durch ein
Klopfen an der Nebentüre aufgewacht, das übliche Berliner Frühstück (das
sich nur durch die Localität von dem Wiener unterscheidet) und im win¬
terlich verdunkelten und zugleich beleuchteten Zimmer, und nun eh das
Tagwerk beginnt, einen Guten Morgengruss zu Dir. Der gestrige Tag war
durch die argen Kopfschmerzen ziemlich getrübt; – heute fühl ich mich
ganz wohl. Gestern nachdem Heini mich verlassen (der in guter Stimmung
und bei guten Aussehen ) zu S. F. Lange Unterredung mit ihm und später
auch mit Maril. Nicht sehr erfreulich; sein Nervenzustand eingestandener¬
massen sehr schlecht, daher sein schwankendes Wesen noch entschiedener
betont. Vorschlag die gesammelten Werke in der neuen Ausgabe wegen
Verbilligung um 1 oder 2 Bände zu kürzen, was ich ablehne.–Ueber Therese
allerlei dummes (z.B. dass es eine Art Reigen: -alles was wir in Kloben¬
stein besprachen, eigentlich vergessen[)]. Dabei war er immer sehr herzlich; -
in noch höherem Masse seine Frau, die mich im Laufe des Tags wohl drei¬
mal anrief, wegen Abend.–Ich konnte aber mit meinem Kopf keine Gesell¬
schaft riskieren. – Im Bristol (sehr gut, aber umtrubelt), mit Heini Mittag
essen: von 4-6 ohne viel machen zu können im Zimmer; – ins Sanatorium
zu Viki Mimi; Krankengeschichte, Aerzte!... doch geht es Mimi eigentlich
schon gut. – Im Ufapalast (fabelhafte Aufmachung) bei einem schlechten
[Harold] Lloyd Film; Rendezvous mit Heini und O. in einem kleinen Restau-
rant (Frolics Bar), günstige Berichte über den Fortgang der Berliner
Antiquitätenangelegenheiten. – Daheim noch zu lesen versucht, Werfel -
gleich eingeschlafen- und bei brennendem Licht und offenem Buch aufge¬
wacht (siehe oben) – Programm für heute- Hegewald, Fahrt mit Herrn Fleck
nach Wannsee, Freiwildaufnahme – Mittag bei Dora und Kaufmann von Venedig.
Abend nachher vielleicht mit Bergner und Kortner (der mich, wie es
scheint, sehr dringend sprechen möchte).

Das Hotel sehr gut – doch eine Nuance (und mehr) unter Esplanade; Essen,