Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 24. April 1927

Venedig, 24.4.1927.

Mein Liebes, ich bin sehr froh, dass der Besuch des Dr. Elias Dich
beruhigt, dass er Dir einige bestimmte, klare und einfache Sachen ge¬
sagt hat und bin mit Dir zuversichtlich. Nur keine Ungeduld wegen
der Bettruhe – und keine überflüssiger Aerger (mit dem notwendigen
allein hat man ja genug).

Gestern an einem köstlichen Frühlingstag waren wir auf dem Lido,
der noch menschenleer ist. Die meisten Hotels geschlossen, – wir sas-
sen und assen im Stabilimento mit dem Blick aufs Meer mit seinen
tausend braunen und weissen Segeln. Das Corno d'Oro besehen (und
den Besitzer Borelle gesprochen) (wo O. und L. im vorigen Jahre
wohnten); still gelegen mit schönem Park, kaum halb so theuer wie die
grossen Modehotels, dabei höchst comfortable; allerlei besprochen,
nichts bestimmtes ausgemacht, da der Termin der Hochzeit noch nicht
feststeht.

Ueberdies haben wir den Flugplatz gesehen. Das Luftschiff auch innen
besichtigt und es endlich mit seinen Passagieren auffliegen gesehen.
Es war für mich, der ich diesem Schauspiel noch niemals beigewohnt,
ein wahrhaft ergreifender Anblick. Man staunt nicht genug auf die-
ser Welt.

Gestern Abend (zu Dritt) im Testro Rossini – Variété und Kino
(das erst um ¾ 11 anfing) – es gelang mir die Boheme zu sehen,
die Lilian Gish wunderbar, das Ganze sehr fein in der Inszenierung
aber von einer (für mich im Film) unerträglichen Traurigkeit. (Von
Jay Kaufmann, Metro Goldwyn, wurde mir ein Brief hieher nachgeschickt,
ich werde den Mann in Wien vielleicht nach 10. Mai sehen, zu welcher
Zeit er wieder dahin zurückkommt). – Sonst habe ich ausser von Dir
aus Wien noch nichts gehört.

Heute ein trüber Tag, es sieht nach Regen aus. Ich will Alma besuchen
(ihre Tochter Anna und ihre Schwester Marie sprach ich gestern auf
dem Markusplatz.)