Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 25. Dezember 1926

Berlin, 25.12.1926.

Hotel Esplanade.

(nach Wien)

Mein Liebes, Berlin selbst nicht – aber solch ein Esplanadenhotel¬
zimmer kann mit der Zeit, auch wenn es immer ein anderes ist, eine
Art Heimat werden – und so täuschen Wiederholungen einer Situa¬
tion innerhalb der gleichen oder ähnlichen Decoration ein »Zu
Hause« vor, das wahrscheinlich immer ein Suggestiveffekt und keine
Realität ist. Immerhin – es ist wieder sehr behaglich hier und
ich habe fast sieben Stunden in einem Zug (gestern gleichfalls in
einem Zug, aber nicht in einem Zug) geschlafen. Die Reise war im
übrigen erträglich; Eintreffen in Berlin erfolgte mit fast zwei¬
stündiger Verspätung. Heller kalter Wintertag, Heini an der Bahn -
er liess mich bald allein; – auspacken, ruhn, telefoni[e]ren -Heini
kam zurück; wir essen miteinander. Wir haben begreiflicherweise
viel einander zu erzählen, wobei wir uns begreiflicherweise eines
Sinnes finden. – Von Dora wie üblich Blumen und Obst; dazu ein
Buch – Ewiges Antlitz – eine Sammlung von Totenmasken -
ein erläuternder Text (den Tod zu erläutern!), das gleiche Buch
von Heini: – ich lehne beide ab und lasse mir was lebendigeres
schenken. – Um vier begab ich mich auf die Strasse undbummle al¬
lein fast zwei Stunden durch die "weihnachtlich belebten" Stras¬
sen.-Nach Hause; recht müde, lese; um 8 Heini, mit ihm in der Es¬
planade-Bar genachtmahlt; er geht um all,ich bleibe (trotz Ein¬
ladung von Lucy und von Dora) allein zu Hause; – bade, sinke ins
Bett und schlafe ohne Lektüre und Pyramidon sofort ein. Aufge¬
wacht mit etwas Kopfschmerzen. Telefonische Gespräche Heini, Paul,
Braun (Marionettentheater). Klarer Wintertag. Programm:
Zum Theil zu Fuss nach Grunewald zu Dora. Mittagessen im Hotel
mit Heini, Paul Marx; Nachmittag Arbeit; Abends Die Schwestern von