Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 25. Dezember 1926

Wien, vom 24. auf 25.12.1926

An A.S.

um ½1 Uhr Nacht.

Liebster, ich bin eben halb erfroren in meinem Bett gelandet und will
nicht einschlafen, ohne Dir wenigstens einen lieben Gedanken und mein Herz in diesen
Zeilen geschickt zu haben. Zum Erzählen bin ich heute schon zu
schläfrig, aber gleich wenn ich erwache will ich es tun. Wie Du
siehst, habe ich alles zum Schreiben bei der Hand. Für jetzt nur einen
Kuss und gute Nacht! -

Leider habe ich trotz Schlafmittel bis 3 Uhr Früh wach ge¬
legen und bin daher erst jetzt um ½9 erwacht. Gestern Abend bei
Wellesz war es wirklich sehr stimmungsvoll. Um 7 Uhr Bescheerung,
Egon und die kleine Liesl spielten zusammen irgend eine schöne alte
Melodie (er Klavier, sie Geige). Baum bis zur Decke, silberüberrieselt,
viele Geschenke auf kleinen Tischen verteilt. Nachher Familiensouper
und schliesmlich bei 9 Grad Kälte durch den Kaasgraben zur Elektri¬
schen, die in dieser Gegend bis ½12 Uhr Nachts verkehrt. Gestern noch
in der Stadt Besorgungen. Dann habe ich zuhause Weihnachtspackerln
gemacht und mir meinen eigenen Tisch hergerichtet. Eine Leiner herr¬
lichen Taschen und die braunen gefütterten Handschuhe habe ich gestern
Abend eingeweiht, damit etwas von Dir mich begleitet. Ich habe schreck¬
lich viel von Dir bekommen und danke Dir noch sehr, wenn Du auch nicht
magst, dass ich es tue. Nur die Photographien sind mir gar nicht recht.
Diese Gans hat die schlechtesten aus dem Album ausgesucht und nicht die,
die ich wollte. So siehst Du nur aus, wenn Du in Deiner ganz bösen Laune
bist und wenn Du mir ein Unrecht zugefügt hast und es nicht zugeben
willst.

Am Nachmittag war Frieda einen Sprung da, brachte mir Blumen
und Zuckerln, dann mein Bruder Otto. Anrufe von Byck, Puton, Hermine. Byck
ladet mich und Gisella Berger für Donnerstag Nachmittag zum Thee.
Heute kommt sie allein zu mir. Ich schreibe Dir heute gegen Abend
noch einmal, aber ich will diese Zeilen gleich an die Hauptpost senden.