Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 30. Juni 1925

Bozen Hotel Laurin 30 ten Juni 1925

Mein liebes Kind.-So geht's nicht weiter-Die Fortsetzung eines Zu-
standes, wie er sich seit Monaten- ich kann sagen seit September, immer
mehr und quälenders zwischen uns entwickelt hat ist unserer Beziehung
unwürdig und kann nur zu einem bösen Ende führen. -

Wenn Du von mir so vielen Situationen gegenüber, – die mir nicht gleich
giltig sein können – Nachsicht und Einsicht verlangst, dann muss ich we-
nigstens fühlen, dass Du mich lieb hast und wie Du innerlich zu mir
stehst.

Du aber gehst hier neben mir, in Gedanken und Erinnerungen vertieft,
die nichts mit mir zu tun haben, findest stundenlang kein warmes Wort
keine Herzlichkeit, und wenn es Dir dann plötzlich wieder ein fällt
mich anzulächeln oder zärtlich zu werden, bist Du erstaunt mich be-
drückt oder kühl zu finden.

Wenn wir noch Wochen des Zusammenseins zu verschwenden hätten, aber es
sind doch nur diese paar armen Tage-

Ich könnte um jede dieser Stunden weinen, die von Glück und Liebe erfüllt
sein sollten und die so jämmerlich vergangen sind.
Wie kommt es dass Du das nicht verstehst – nicht empfindest – Du- der
ein Dichter bist:

Mein Kind, wenn Du mich wirklich noch lieb hast, wie Du es – wenn aus
mit recht trockenen Worten immer wieder heute behauptet hast, und wenn
Du das Deinige dazu tun willst, dass es wieder schön zwischen uns wird,
dann sag kein Wort nimm mich um den Hals und gieb mir einen Kuss, und
ich will auch kein Wort mehr sagen.

We[n]n Dir aber eine Änderung der Situation und der Stimmung zu schwer
erscheint, dann – schick mir wortlos diesen Brief zurück und ich werde
wissen, was ich zu tun habe – dann reise ich.

Deine Clara Katharina