Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 17. März 1925

Wien, 17.3.1925.

Hotel Regina.

An A-S. Berlin.

Liebster,

heute könnte man vom Fenster aus beinahe glauben, dass
Frühling ist – kein Stäuberl Schnee mehr zu sehen, blauer Himmel und
Sonnenschein. Aber draussen weht ein Eiswind und das Spazierengehen
ist kein Vergnügen.

Vormittag war ich bei Otto im Bureau, weil er Geburtstag
hat.

Als ich gestern zu Tedy kam, traf gerade die Todesnachricht
von unserem gemeinsamen Vetter Wassermann ein, d.h. er war ein direkter
Wetter von der Tedy (Wassermanns Frau meine direkte Cousine). Da sie aber
eine der blödesten Gänse ist, habe ich nicht mehr als eine recht objek¬
tive Teilnahme, die ich in einem Telegramm äussern werde.

Für Deinen lieben Brief, der heute Morgens eintraf, tau¬
send Dank. Du könntest mir aber schon ein bissel mehr über dein Wie¬
dersehen mit Heini schreiben, wie er aussieht, ob er sehr herzlich zu
Dir ist, ob er über seine Herzensangelegenheiten und Zukunftspläne zu
Dir gesprochen hat.

Ich sende Dir anbei 1. eine Notiz über das »Märchen«
ein. 2. einen Liebesbrief Napoleons an Josephine, damit Du siehst, dass
nicht alle grossen Männer so verschlossen sind, obwohl ich nicht be¬
haupten will, dass dieser Stil mir sehr nahe ginge. Aber dafür bist Du
auch ein Dichter und kein Feldherr. Also –

Weisst Du schon, was ein Flirt ist? – Wenn er schon
angezogen wird und sie noch angezogen ist!

Und weisst Du, was er ist, wenn sie schon ungezogen
wird und er noch angezogen ist –? Ein Tepp!

Nachdem ich Dir diesen frivolen Witz erzählt habe,
dessen Quelle Du erraten darfst, habe ich nichts mehr zu berichten.

Dies ist übrigens der 4. Brief, den ich seit Deiner