Arthur Schnitzler an Clara Katharina Pollaczek, 14. Mai 1925

Semmering

Südbahn- Hotel

Semmering den 14 ten Mai 1925

nach Wien (Hotel Regina[)]

Liebste, ich hoffe du bist mir nicht böse, dass ich nun doch allein
fortgefahren bin- für 2 Tage; es war mir ein solches Bedürfnis- ein
paar Stunden in andrer Luft und ganz allein zu sein- schon fühl ich
mich dir näher als in den letzten Tagen- mein erstes Bedürfnis hero¬
ben ist, dir einen zärtlichen Gruss zu senden. Das Hotel ist sehr
Vor- Saison. In allen Stöcken wird gebaut renoviert; – 20 Personen
( kaum) wohnen hier; – und ich bekam (in Erinnerung längst vergan¬
gener Stammgasthaftigkeit) ein Appartement mit Bad, Balkon, wunder¬
barer Aussicht (zum Einzimmerpreis). Das Mittagessen war beiselesk
( nicht zu verwechseln mit Basilisk) – nicht ohne internationale
Allüren. Aber.–hassen sie mich: »[b]oeuf bouilli« – es bleibt doch ein
Rindfleisch, und die Garnierung ist kalt- » weil die Küche so weit ist«.
Die habsburgische Tradition, war durch Schönbrunner Reis gewahrt.-
Die Coupés trotz der vielen Tunnels, total unbeleuchtet, als wär
noch immer Krieg. (Aber Österreich ist halt noch) -

Aber die Landschaft, – der Blick-!

Auf der Reise hab ich mein Manuskript (Stück 2 ter Akt Schluss)
durchgesehen: jetzt will ich diesen Brief auf die Post geben, dann arbei-
ten, dann spazieren ( ev. die nahen (unleserlich). morgen wahrscheinlich
Sonnwendstein -

Barnovsky kommt 20ten – bleibt bis 24 ten.-

Sei umarmt mein Liebes!

Dein

A.