Clara Katharina Pollaczek an Arthur Schnitzler, 16. Juli 1923

Im Schla[f]wagen um 1/2 10 Uhr Abends.

Nach Passau. 16.7.1923.

Mein Freund, mein sehr lieber Freund!

Nun liege ich hier auf meinem schmalen Lager, bin sehr
müde und kann doch nicht schlafen. Ich denke an Dich und sende Dir
viele liebe Grüsse und Gedanken.

Wir waren bis Passau im selben Coupé mit der Hofrätin Z., haben mit ihr
und ihrem sehr sympathischen Sohn soupiert und jetzt sind sie im
Coupé nebenan. Ich habe mich über den Zufall nicht gewundert, war fast
überzeugt, dass es so sein wird. Es ist da irgend ein Zusammenhang mit
Dir. Dein Name ist auch öfters gefallen. Es ist ein bisl schwer zu
schreiben, denn es ist im Coupé verdunkelt. Mein Sohn schläft schon.
Der Aufenthalt hier in Passau dreiviertel Stunden – bei der Hitze –
eingekeilt zwischen einer tausendköpfigen Menge war furchtbar. Es ist
eine böswillige feindselige Menschenschinderei. Gute Nacht jetzt, denk
an mich, wie ich an Dich.

Deine

Clara Katharina.

1/2 7 Uhr Früh. Guten Morgen! Ich habe fast gar nicht geschlafen, nur
eine Stunde geschlummert. Alles Liebe!